10 Jahre nach der Katastrophe - Fukushima strahlt bis heute
Der heutige Jahrestag ist Anlass zum Gedenken und zur Mahnung
Auch wenn es jetzt zehn Jahre her ist – die Bilder, die damals um die Welt gingen, haben die meisten wohl noch im Gedächtnis. Am 11. März 2011 beginnt die Reaktorkatastrophe im japanischen Atomkraftwerk Fukushima Daiichi. Ein schweres Erdbeben und der anschließende Tsunami beschädigen das Kraftwerk so verheerend, dass es in den folgenden Tagen in drei der Reaktorblöcke zur Kernschmelze kommt. Zwei der Reaktorblöcke explodieren. Gigantische Mengen Radioaktivität treten aus.
Der Unfall hat die Region und das Leben der Menschen vor Ort auf einen Schlag komplett verändert – und das bis heute. Über 150.000 Menschen mussten ihr Zuhause verlassen. Zwar hat die japanische Regierung letztes Jahr die letzte Evakuierungsanordnung aufgehoben, doch bis heute ist nur ein geringer Teil der Bewohner*innen zurückgekehrt. Viele der Städte um Fukushima herum wurden dekontaminiert. Das bedeutet unter anderem, dass der Boden großflächig abgetragen wurde. Das bedeutet auch, dass es mittlerweile hundertausende von Säcken mit kontaminiertem Material gibt, das weiter behandelt und verwahrt werden muss. Gleichzeitig gibt es immer noch große Zonen, in denen die jährliche Strahlenmenge über 50mal höher ist als der internationale Grenzwert und in die ein Zurückkehren kaum möglich ist.
Und das hat Folgen: Laut der Ärzteorganisation IPPNW tritt Schilddrüsenkrebs bei Kindern in Fukushima 20 mal häufiger auf, als erwartbar wäre.
Die beschädigten Reaktoren selber sind weiterhin im Ausnahmezustand. Aus ihnen tritt radioaktives Kühlwasser und muss kontinuierlich nachgefüllt werden, um weitere Kernschmelzen zu verhindern. Und natürlich besteht das beständige Risiko, dass ein erneutes Erdbeben die labilen Reaktoren weiter beschädigt.
Fukushima hat ein für allemal bewiesen, dass das Risiko der Atomkraft weder beherrsch- noch kalkulierbar ist. Auch nicht in einem hochindustrialisiertem Land wie Japan.
Dass eine Risikoberechung eines GAUs von „einmal in Hundertausendjahren“ nichts hilft, wenn doch alle paar Jahrzehnte ein verheerender Unfall passiert.
Dass wir jetzt alles daran setzen müssen, um so schnell wie möglich aus dieser Fehlentwicklung wieder auszusteigen.
Sollte man denken.
Doch das Märchen von der sicheren, profitablen und unverzichtbaren Atomenergie wurde Jahrzehntelang wiederholt und konnte sich fest verankern. In Japan ist die Regierung weiterhin bemüht, einige der Atomkraftwerke, die nach der Katastrophe vom Netz genommen wurden, weiter laufen zu lassen. Zwar ist die Anzahl der Atomkraftwerke weltweit seit Jahren rückläufig. Aber aktuell nehmen einige Länder wie China und Großbritannien viel Geld in die Hand, um neue Reaktoren zu bauen.
Und Deutschland? Die Reaktorkatastrophe von Fukushima führte bekanntermaßen zur großen Kehrtwende in der Energiepolitik der damaligen Bundesregierung. Sie gab dem großen gesellschaftlichen Druck nach und beschloss erneut ein Ende der Atomkraftwerke in Deutschland. Doch dieser Beschluss war weniger als halbgar. Zum einen erfolgt die Abschaltung viel zu langsam: Noch immer sind sechs Reaktoren in Deutschland am Netz und werden zunehmend störanfällig. Zum anderen bezog sich der Beschluss eben alleinig auf die Atomkraftwerke. Atomfabriken wie in Lingen und Gronau sind davon nicht betroffen. Auch für den Transport von radioaktiven Material über Häfen oder Zugstrecken in Deutschland ist kein Ende in Sicht.
Und mit der wachsenden Aufmerksamkeit auf die Klimakrise wittern die Atomkraftbefürworter*innen Morgenluft. Hier haben sie ein neues Element für ihr Märchen gefunden: In Pressebeiträgen und schneidigen Twitterposts präsentieren sie Atomkraft jetzt als ‚Klimaretter‘. In diesem Fahrtwind rutscht auch dem einen oder anderen Vertreter der Industrie (z.B. Tesla-Chef Elon Musk) oder Politik (z.B. CDU-Rechstaußen Friedrich Merz) raus, man müsse den Atomausstieg noch einmal überdenken und sich mit der Weiterentwicklung von Atomkraftwerken beschäftigen. Diese Erzählung schafft es damit auch zunehmend – und häufig wenig hinterfragt – in große Medien wie den Spiegel, Focus oder die Öffentlichrechtlichen.
Das ist fatal! Denn: Atomkraft ist Gift für das erneuerbare, soziale und klimagerechte Enerergiesystem der Zukunft. Das hat drei einfache Gründe:
- Atomkraftwerke passen nicht zu den Erneuerbaren. Sie sind groß und träge und blockieren Kapazitäten im Stromnetz. Das können wir uns in einem erneuerbaren flexiblen Energiesystem nicht leisten
- Jeder Euro, der in Atomkraft investiert wird – sei es in die Forschung, den Bau neuer Reaktoren oder die Endlagerung von noch mehr gefährlichem Müll – ist ein Euro, der nicht in Erneuerbare fließt
- Atomkraft ist nicht sozial. Atomenergie funktioniert nur, indem die Kosten und das Risiko verallgemeinert werden, während die Gewinne privatisiert werden. Vom Uranabbau, über den Betrieb der AKWs bis zur Endlagerung: Die Kosten und das Risiko tragen die Menschen vor Ort und die Steuerzahlenden. Für uns ist klar: die Energiewende muss sozial gerecht sein!
Und, ebenfalls zentral: Wir brauchen Atomkraft schlichtweg nicht! Was wir brauchen ist der entschlossene Ausbau Erneuerbarer Energien und eine konsequente Reduktion unseres Energieverbrauchs. Wir brauchen keine gefährliche und überteuerte Technologie, die schon so oft gezeigt hat, welche verheerenden Konsequenzen sie haben kann.
Der heutige zehnte Jahrestag der Reaktorkatastrophe von Fukushima ist Anlass, der Menschen vor Ort zu gedenken, die direkt von ihren Folgen betroffen waren und sind. Und er ist eine Erinnerung, wachsam zu bleiben: Die Auseinandersetzung um Atomkraft ist noch nicht vorbei – es gibt noch viel zu tun!