Tropenwald - aus der Luft fotografiert

Landkauf im Regenwald zum Ausgleich von Klimaschäden?

08. August 2023
Tropenwald
Ute Bertrand
Blog

Kürzlich wurde bekannt, dass Hamburgs grüner Umweltsenator Jens Kerstan durch Landkauf im Regenwald in Panama versucht, seinen persönlichen CO2-Ausstoß zu kompensieren. Genauer gesagt, hat er laut Medienberichten Anteile bei der Hamburger Genossenschaft The Generation Forest (TGF) gekauft.

In den Ohren vieler klingt dies erst einmal positiv: Da setzt sich jemand für den Regenwald ein, Bäume werden gepflanzt. Das muss doch ein Gewinn für’s Klima sein – oder?

Ein zweiter Blick lohnt sich. The Generation Forest nutzt das positive Image des Regenwaldschutzes für sein Geschäftsmodell. Auf ihrer Website verspricht die Genossenschaft den „Erhalt der natürlichen Artenvielfalt“, „sozialen Impact“ und obendrein „grüne Renditen“.

Doch dieses Geschäftsmodell ist fragwürdig, insbesondere wenn es dazu herhalten soll, eigenes klimaschädliches Verhalten fortzusetzen.

TGF fördert den Verkauf von Tropenholz in Deutschland. In der Satzung der Genossenschaft heißt es: „Die Weiterverarbeitung und Veräußerung von zertifiziert und nachhaltig erzeugtem Edelholz“ solle „insbesondere in Deutschland stattfinden“. Wer in TGF investiert, fördert also, dass hierzulande Tropenholz weiterverarbeitet und verkauft wird. Dabei nützt es dem Klima- und Umweltschutz mehr, Holz aus der Region zu verwenden als importiertes Tropenholz aus dem globalen Süden.

Da unverarbeitetes Holz aus Panama exportiert wird, findet die Wertschöpfung durch die Weiterverarbeitung nicht im Herkunftsland des Holzes statt, sondern in Deutschland. Die Gewinne aus der Weiterverarbeitung und dem Verkauf werden von der in Hamburg ansässigen Genossenschaft kontrolliert und nicht von der Bevölkerung vor Ort. TGF hält 100 Prozent der Anteile seiner Tochtergesellschaft, der Waldmenschen S.A., in Panama, die alle Forstaktivitäten der Genossenschaft ausübt .

Zudem bergen Geschäftsmodelle, die darauf basieren, Investoren aus dem reichen Norden dazu zu bringen, Landflächen in ärmeren Ländern zu kaufen oder zu pachten, generell Risiken. Wegen der Machtungleichheit zwischen den Akteur*innen kann es zur Verletzung traditioneller, oft nicht schriftlich verbriefter Rechte der lokalen Bevölkerung kommen. Hierzu gibt es eine breite Kritik des Landgrabbings.

„Ohne Landrechte für indigene Menschen und andere vom Wald abhängige Gemeinden lassen sich tropische Wälder, wie etwa in Panama, nicht schützen", sagt auch Almuth Ernsting von Biofuelwatch. "In Darién, wo The Generation Forest Aufforstung betreibt, gehört die Mehrheit der Bevölkerung zu indigenen Gruppen, von denen sich viele seit Jahrzehnten darum bemühen, Landtitel und Rechte an Wäldern zu bekommen. Deshalb ist es umso schockierender, dass der Hamburger Umweltsenator sich an so einem Landgrabbing-Projekt beteiligt, das einer deutschen Genossenschaft erlaubt, von Landbesitz in Panama zu profitieren."

Aus ökologischer Perspektive ist es zwar besser, wenn naturnahe Mischwälder wachsen statt industrieller Monokulturen. Doch eine „Pflanzung von Wäldern“ zu versprechen, wie es TGF macht, weckt bei vielen falsche Vorstellungen. Bäume lassen sich pflanzen, aber kein Wald.

Wenn Bäume gepflanzt werden, dauert es Jahrzehnte bis Jahrhunderte, bis daraus Wald wird, der seine ökologischen Funktionen fürs Klima und die Artenvielfalt voll erfüllt. Und wenn die Mitfinanzierung dieser Aufforstung hierzulande von Menschen genutzt wird, um ihren eigenen zu hohen CO2-Ausstoß zu legitimieren, geht die Rechnung erst recht nicht auf.

Beim Wachstum nehmen Bäume CO2 auf. Dies ist ein sehr langsamer Prozess. Er braucht Zeit, die wir angesichts des rasant fortschreitenden Klimawandels nicht mehr haben. Die Freisetzung des CO2 – zum Beispiel durch einen Urlaubsflug – passiert viel schneller als ein Baum durch sein Wachstum CO2 einlagert. Erste Wahl ist daher, den CO2-Ausstoß konsequent zu reduzieren, Entwaldung zu stoppen und wilde Wälder wachsen zu lassen.

Jens Kerstan kann durch einen ressourcenschonenderen privaten Lebensstil etwas für den Klimaschutz tun und öfter mal am Boden bleiben – die Kritik entzündete sich an seinen häufigen Flügen nach Mallorca. Viel wichtiger aber ist, dass er durch sein Handeln als Hamburger Umweltsenator vielen Menschen ermöglichen kann, klimagerechter zu leben. Einer seiner großen politischen Hebel: eine sozial-ökologische Energiewende, den Schutz der Wälder und eine klare Absage an das Verheizen von klimaschädlichen Fossilen und Holz in den kommunalen Kraftwerken. Das würde überzeugen. Den Regenwaldkauf kann er sich dafür sparen.