Tropenholz-Recherche: FLEGT-VPA lizenziertes legales Tropenholz aus Indonesien

Wieso „legal“ nichts mit „nachhaltig“ zu tun hat

27. November 2016
Tropenwald
Sven Selbert
ROBIN WOOD-Tropenwaldreferent
Blog

Wieso „legal“ nichts mit „nachhaltig“ zu tun hat. Und wie das EU-Instrumentarium, das vorgeblich dem Schutz von Tropenwäldern dient, selber zu einer großen Bedrohung werden konnte.

Am 15. November 2016 wurde ein neues, bedenkliches Kapitel im internationalen Handel mit Tropenholz aufgeschlagen. Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit, erteilte die EU Indonesien die Erlaubnis, ihre Tropenholzprodukte gemäß dem FLEGT-Partnerschaftsabkommen (FLEGT-VPA) von nun an selber zu lizenzieren. Damit entfällt für indonesisches Holz die Pflicht zur Überprüfung der Einhaltung der Sorgfaltspflichten entsprechend der europäischen Holzhandelsverordnung (EUTR). Stattdessen vertraut die EU bei FLEGT komplett dem indonesischen Holzsicherungssystem (SVLK).

Indonesien ist bereits heute der wichtigste Tropenholz-Importeur der EU. Mit dem neuen FLEGT-VPA Deal öffnet die EU ihren Markt für indonesisches Tropenholz. Indonesien strebt eine rasche Verdopplung der gehandelten Mengen an.

Während in der Holzhandelslobby die Sektkorken knallten, schrillen bei ROBIN WOOD die Alarmglocken. Ende 2015 fand in Indonesien eine Waldvernichtung historischen Ausmaßes statt, maßgeblich verursacht durch tausendfache Brandstiftung für illegale Landnahmen zur Entwicklung von Plantagen. Indonesien so kurz nach dieser Tropenwald-Katastrophe mit der Öffnung des EU-Marktes für scheinbar sicheres Tropenholz zu belohnen, grenzt an Zynismus.

Mit dem FLEGT-VPA droht außerdem Greenwashing. ROBIN WOOD hat gezeigt, dass FLEGT-Holz in der Pilotphase seit 2014 deutschen VerbraucherInnen bereits als "nachhaltig", oder als  „zum Schutz der Regenwälder“ angepriesen wurde. Das FLEGT-Holz ist jedoch bestenfalls "legal" im Sinne der indonesischen Gesetze – Einschlag und Kahlschlag für die Plantagenindustrie inklusive.

Bei Marktrecherchen zu Tropenholz stieß ROBIN WOOD im Großraum Hamburg auf einen Strandkorb aus Mahagoni, dessen Holz laut Werbeprospekt „aus nachhaltigem Anbau“ stammt. Gemäß dem uns vorliegenden FLEGT-Dokument und den schriftlichen Händlerangaben soll das Mahagoni-Holz von einer indonesischen Plantage stammen. ROBIN WOOD ließ die Holzherkunft in einem Speziallabor mittels massenspektrometischer Isotopenanalyse überprüfen. Ergebnis der Untersuchung: Das Holz stammt mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht aus Indonesien.

ROBIN WOOD fordert die Rücknahme des FLEGT-Partnerschaftsabkommens mit Indonesien. Bis dahin sollten Holzhandel und VerbraucherInnen auf FLEGT-Tropenholz verzichten.

Im Folgenden geben wir Antworten auf zentrale Fragen rund um Tropenhoolz aus Indonesien.

Fragen & Antworten

1) Warum ist FLEGT-VPA Holz aus Indonesien problematisch?

a) Illegale Praktiken und Raubbau werden nicht beendet, sondern lediglich verlagert und verändert.

  • Unsere eigene Tropenholzrecherche zeigt, dass dem SVLK System nicht vertraut werden kann. Die Dokumente können gefälscht werden. Da es in Europa für FLEGT-Holz keine eigene Kontrollen mehr gibt, besteht die Gefahr, dass Indonesien durch Umetikettierung zu einem Drehkreuz für Raubbauholz aus Drittländern werden könnte.
  • Echte Konzessionsgenehmigung werden durch Korruption erworben. Auf solchen Flächen könnte aber anschließend „legales“ FLEGT-Holz produziert werden.
  • Die Produktion der tatsächlich operierenden Plantagenbetriebe Indonesiens können bei weitem nicht die exportierten Holzmengen erklären. Die logische Schlussfolgerung von Interpol (2016): Viele Plantagenbetriebe sind in Wirklichkeit Briefkastenfirmen, die nur dazu dienen, Naturwaldholz in den Markt zu schleusen.
  • Ein großer Teil des produzierten Holzes Indonesiens stammt vermutlich von Kahlschlag-Flächen auf denen später industrielle Plantagen angelegt wurden („conversion timber“).

b) Legaler Raubbau ist auf riesigen Flächen mit FLEGT-VPA möglich.

  • Auch Holz, das nach indonesischem Recht als legal bezeichnet wird, ist längst nicht „nachhaltig“. Zurzeit sind etwa rund 27 Millionen Hektar, ein Drittel des verbliebenen Tropenwaldes in Indonesien, als Konzessionsgebiet für den Holzeinschlag oder für die Entwicklung industrieller Plantagen vergeben. Die Fläche ist vergleichbar mit dem Staatsgebiet des Vereinigten Königreichs. Auf diesen Flächen könnte FLEGT-VPA-Holz gewonnen werden.

2) Wie ist der Befund des durch ROBIN WOOD untersuchten Mahagoni-Strandkorbs zu interpretieren?

Da die Herkunftsangabe „Indonesien“ durch das Laborergebnis ausgeschlossen wurde, geht ROBIN WOOD von einer falschen bzw. gefälschten Angabe aus. Indonesien ist nicht nur ein sehr wichtiger Tropenholzproduzent, sondern auch ein global bedeutsamer Standort der holzverarbeitenden Industrie. Im konkreten Fall wäre es also denkbar, dass illegal geschlagenes Mahagoni nach Indonesien importiert, dort verarbeitet und vor dem Weiterverkauf nach Deutschland umdeklariert wurde.

Mahagoniholz (Swietenia spec.) aus dem Naturwald fällt unter das Washingtoner Artenschutzabkommen CITES und ist somit quasi unter Handelsembargo. Indonesisches FLEGT-Mahagoni genießt dagegen vollen EU-Marktzugang ohne Kontrollen.

Woher das Strandkorb-Mahagoniholz tatsächlich stammt, lässt sich vielleicht nicht mehr sicher rekonstruieren. Der Fall zeigt jedoch deutlich einen Weg und die reale Gefahr wie Indonesien mit FLEGT und durch illegale Umetikettierungen zu einem Drehkreuz für illegales Holz aus Drittländern werden kann.

3) Wieso argumentiert ROBIN WOOD gegen Green Growth beim Handel mit Tropenholz

Der FLEGT-Aktionsplan und die EUTR wurden als Instrumente gegen den illegalen Raubbau und für den Schutz von Tropenwäldern dargestellt. Ihr offizielles Ziel ist es „das Angebot von legal geschlagenem Holz zu verbessern und die Nachfrage nach Holzerzeugnissen aus verantwortungsbewusster Bewirtschaftung zu erhöhen“. In der Realität des FLEGT-Partnerschaftsabkommen mit Indonesien zeigt sich deutlich, dass der Schwerpunkt des Systems auf der Verbesserung des Handels mit Tropenholz liegt.

Seit Beginn des FLEGT-VPA-Prozesses im Jahr 2007 hat sich die Entwaldung in Indonesien weiter beschleunigt. Illegale Praktiken bestehen fort, weite Teile des ungeregelten Raubbaus wurden institutionalisiert und damit legalisiert.

ROBIN WOOD würde ein Abkommen begrüßen, welches das Ziel hätte, den Handel mit Tropenholz stark zu reglementieren und zu verringern. Über FLEGT-VPA strebt Indonesien jedoch eine Verdopplung der Holzexporte in die EU an. Für die verbliebenen Regenwälder Indonesiens klingt das fast wie eine Morddrohung.

ROBIN WOOD vermutet, dass die auf Wachstum ausgerichtete EU-Holzhandelspolitik mit FLEGT das Geschäft und die Strukturen des Raubbaus am indonesischen Regenwald nicht spürbar schwächt, sondern vor allem zu einer Formalisierung und Legalisierung dieses Rohstoff-Sektors beiträgt. Es fehlen deutliche Hinweise auf strukturelle Veränderungen wie Eigentumsverhältnisse oder schlichtweg sinkende Entwaldungszahlen. Auch ein teil-legalisierter Tropenwald-Raubbau wirkt zerstörerisch. Profit und Profiteure bleiben die gleichen. Dem Tropenwald in Indonesien ist mit einem ausgehöhltem Versprechen von Legalität und der Fiktion von grünem Wachstum nicht geholfen.

4) Wieso kritisiert ROBIN WOOD zusätzlich den Zeitpunkt des Zustandekommens des FLEGT-VPA mit Indonesien?

Obwohl Indonesien unter der Administration des seit 2014 regierenden Präsidenten Joko Widodo dem Schutz von Wäldern zumindest nominal eine bedeutend größere Rolle einräumt, hat der Raubbau an den indonesischen Wäldern seit der Einführung von SVLK in den letzten zwei Jahren nicht spürbar abgenommen. Im Gegenteil, der Strom an besorgniserregenden Nachrichten über Raubbau, Korruption und Umweltverbrechen in Indonesien ist ungebrochen. Angesichts der durch 1000fache Brandstiftung für Landnahmen verursachten Brandkatastrophe 2015 geht das letzte Jahr als ein trauriger Rekord beim indonesischen Regenwaldverlust in die Geschichte ein. Keine sechs Monate nach dem Ende der Brandkatastrophe gab die EU grünes Licht für die FLEGT-Lizenzierung. Es ist so, als hätte man Japan keine sechs Monate nach Fukushima für Anstrengungen um atomare Sicherheit belohnt.

5) Wie hoch ist der Anteil an illegalem Holz in Indonesien?

Einem Bericht von Forest Trends aus 2015 lässt sich entnehmen, dass mindestens 30 Prozent Holz aus illegalen Quellen stammt. Ein weiterer großer Teil des Holzes kommt außerdem durch sogenanntes „conversion timber“ von Kahlschlägen für Plantagen wie Palmöl zustande.

Der Bericht von Hoare et al. 2015 (Chatham House London) quantifiziert die Menge des illegalen Holzes inklusive des „conversion timber“ in Indonesien auf  60 Prozent.

Die Europäische Kommission behauptet - ohne Angaben von Quellen -, dass derzeit über 90 Prozent der indonesischen Holzexporte aus unabhängig überwachten Wäldern und Fabriken kommt.

Vertreter indonesischer Regierungsbehörden und des Holzhandels behaupten - ohne Angabe von Quellen -, dass 2015 98 Prozent der Holzexporte nach FLEGT-Regeln lizensiert wurden.

Überprüfbare Berichte und in Fachzeitschriften veröffentlichte, wissenschaftliche Untersuchungen zeigen deutlich an, dass der Raubbau unvermindert anhält. Im Jahr 2003 wurde laut einer UN-Studie 80 Prozent des Tropenholzes Indonesiens illegal abgeholzt. Wenn Indonesien bei gleichzeitig rapide schwindenden Waldflächen angibt, 98 Prozent der Holzexporte des Landes seien heute zertifiziert legal, dann schließt ROBIN WOOD daraus: Das Geschäft mit der Waldzerstörung wurde nicht gestoppt, es wurde im Hinblick auf den Außenhandel legalisiert.

6) Wer befürwortet das FLEGT-Partnerschaftsabkommen (VPA)?

  • Interessenvertreter des Holzhandels. Indonesien, ist bereits jetzt der wichtigste Tropenholzlieferant der EU. Der Wert seiner Importe beträgt derzeit ca. eine Milliarde Euro jährlich, das ist ein Anteil von ca. einem Drittel des Gesamtmarktes. Durch den vereinfachten Marktzugang durch das FLEGT-VPA verspricht sich Indonesien eine Verdopplung dieser Zahl, bereits für 2017 wird ein Plus von 20 Prozent angestrebt.
  • Die EU-Kommission unter Jean Claude Juncker. Sie hat den Deal maßgeblich vorangetrieben. Das könnte mindestens zwei Gründe haben.
    1.) Zeitgleich mit der Einwilligung der EU für erleichterte Rahmenbedingungen im Tropenholzhandel durch das FLEGT-VPA wurde der offizielle Start der Verhandlungen über das umfassende Freihandelsabkommen namens CEPA (Comprehensive Economic Partnership Agreement) mit Indonesien beschlossen. Das Vorhaben soll nach Plan bis 2019 abgeschlossen sein und stammt ursprünglich aus der Feder des unlängst zu Goldman Sachs gewechselten, ehemaligen Kommissionspräsidenten Manuel Barroso und galt lange als aussichtslos.
    2.) Ein Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofes aus dem Jahr 2015 rüffelte die EU-Kommission für FLEGT. Die Mittel für FLEGT seien nicht effizient verwendet worden und auch 12 Jahre nach Start des Programms im Jahr 2003 sei mit noch keinem Holz exportierenden Land das Kernziel des FLEGT-Aktionsplans, nämlich bilaterale Partnerschaftsabkommen, erreicht worden.
     

Glossar

EUTR (European Timber Regulation)

Die 2013 in Kraft getretene EU-Holzhandelsverordnung verbietet den Import von illegal geschlagenem Holz und beschreibt relativ scharfe Sorgfaltspflichten.
 

FLEGT (Forest Law Enforcement, Governance and Trade- Action Plan)

Der 2003 ins Leben gerufene FLEGT-Aktionsplan sollte den illegalen Raubbau an Tropenwäldern mit europäisch einheitlichen Handelsregelungen (siehe EUTR) und über den Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen in den Holz-Herkunftsländern bekämpfen. Ihr offizielles Ziel ist es, auch das Angebot von legal geschlagenem Holz zu verbessern und die Nachfrage nach Holzerzeugnissen aus verantwortungsbewusster Bewirtschaftung zu erhöhen.
 

VPA (Voluntary Partnership Agreement)

Freiwilliges Partnerschaftsabkommen. Gemäß  VPA verzichtet die EU beim Tropenholzhandel mit Indonesien auf die Prüfung der Sorgfaltspflichten gemäß EUTR. Statt eigener Kontrollen wird stattdessen dem indonesischen System SVLK vertraut. Partnerschaftsabkommen mit weiteren 14 Tropenholz produzierenden Ländern werden angestrebt. Als nächste Anwärter für die Ratifizierung werden Ghana und Vietnam gehandelt.
 

SVLK (Sistem Verifikasi Legalitas Kayu)

Indonesisches Holz-Legalitäts-Sicherungssystem, auf Englisch INDO-TLAS (Indonesian Timber Legality Assurance System). Das SVLK System wurde gemäß den FLEGT-Vorgaben entwickelt und 2013 in Indonesien verpflichtend eingeführt. Innerhalb von drei Jahren ist seitdem nahezu die gesamte holzproduzierende und holzverarbeitende Industrie in dieses System integriert worden.
 

HolzSiG

FLEGT und EUTR sind durch das Holzhandels-Sicherungs-Gesetz (HolzSiG) in nationales Recht umgesetzt.
 

Das nun in Kraft getretene FLEGT-VPA ist nicht von heute auf morgen eingeführt worden. Als Pilotphase diente eine ca. drei Jahre währende Testphase, die bereits eine stark vereinfachte EU-Einfuhr von indonesischem Tropenholz mit dem V-Legal Zeichen vorsah. V-Legal-Holz wurde gemäß dem indonesischem Holzsicherungssystem
SVLK produziert und gehandelt, es entspricht FLEGT-lizenziertem Holz. Das V-legal Zeichen wir ab jetzt nur noch außerhalb der EU verwendet.

ROBIN WOOD