Tropenwaldpolitik: Ohne Rücksicht auf Verluste?

Die Wirtschaft muss um jeden Preis wachsen? Das sehen wir anders

18. Februar 2025
Tropenwald
Blog

Wachstum, Wohlstand, Freiheit! So ungefähr lassen sich die „Visionen“ vieler Parteien für Deutschland zusammenfassen. Und was muss dafür weichen? Diese vermaledeite Bürokratie natürlich! Sie ist der Ursprung allen Übels, sie lähmt die Wirtschaft. Weg mit den Lieferkettengesetzen und -verordnungen, weg mit Sorgfalts- und Berichtspflichten! Menschenrechte? Umweltschutz? Entwaldung? Egal!

 

Was steht in den Wahlprogrammen?

Die CDU/CSU will laut Wahlprogramm zur Bundestagswahl das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) abschaffen, Vorgaben der EU dürfen keinesfalls übererfüllt werden. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hatte die Fraktion bereits Anfang Dezember 2024 vorgelegt, sie nannte es das „Lieferkettensorgfaltspflichtenaufhebungsgesetz“: Mit sofortiger Wirkung solle das LkSG außer Kraft gesetzt werden.

Die FDP strebt ähnliche Ziele wie die Unionsparteien an, geht allerdings mehr ins Detail. Zum deutschen Lieferkettengesetz legte die Partei ebenso wie die CDU/CSU bereits im Dezember einen Gesetzentwurf vor und nannte das Gesetz allen Ernstes das „Lieferkettenbürokratiefreiheitsgesetz“. Das LkSG sei mit sofortiger Wirkung aufzuheben. Eine Alternative gebe es laut Gesetzentwurf, und zwar die Umsetzung der europäischen Lieferkettenrichtlinie (CSDDD), denn dann seien deutlich weniger Unternehmen betroffen, nur noch etwa 1000. Jetzt aber steht aber im Wahlprogramm der FDP, dass sie die CSDDD vollständig abschaffen wolle … Neben der CSDDD sollen auch weitere Regelungen des Green Deal komplett abgeschafft werden – und sowieso alle Berichtspflichten!

Die SPD hat nicht viel zu Lieferketten zu sagen. Natürlich brauche es „robuste Lieferketten“, damit Deutschland alle wertvollen Rohstoffe bekommt, die benötigt werden. Transparente, legale oder entwaldungsfreie Lieferketten braucht es aber nicht. Klar, internationale Standards für „gute Arbeit“ mit „existenzsichernden Löhnen“ will die SPD – und sie habe mit der CSDDD die entsprechende Richtline auch schon geschaffen. Die SPD will die CSDDD also nicht abschaffen. Das ist gut, denn die SPD will, wie die FDP, das deutsche Lieferkettengesetz durch die EU-Richtline ersetzen. Aber ganz so einfach geht das nicht. Denn die EU-Lieferkettenrichtlinie darf nicht dazu verwendet werden, das Schutzniveau zu senken, wenn bereits ähnliche nationale Gesetze existieren.

Die AfD fasst sich kurz. Sowohl die CSDDD als auch das LkSG lehnt die Partei ab. Stattdessen müsse für deutschen Unternehmen Zugang zu Märkten gesichert werden, es brauche freie Handelswege, Zugang zu Rohstoffen.

Auch das BSW fasst sich kurz. Das LkSG soll überarbeitet werden, kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sollen von Berichts- und Dokumentationspflichten stärker befreit werden. Generell ist der Abbau von Bürokratie „Schlüssel für Wachstum und Innovation“. Zur europäischen Lieferkettenrichtlinie schweigt das Wahlprogramm. Die Partei spricht sich aber für „fairen Handel“ aus und für Abkommen, die „soziale, menschenrechtliche und ökologische Standards sichern“ – letztlich aber, um die deutsche Wirtschaft vor konkurrierenden Billigprodukten zu schützen, nicht um Ausbeutung im Globalen Süden zu stoppen.

„Die EU-Lieferkettenrichtlinie ist eine große Errungenschaft“ – das klingt unglaublich. Tatsächlich sprechen die Grünen positiv über diese Richtlinie, wollen damit sicherstellen, dass Produkte „frei von Ausbeutung und Kinderarbeit“ sind. Die Umsetzung, klar, muss unbürokratisch sein. Und unklar bleibt leider auch, ob der Geltungsrahmen des deutschen Lieferkettengesetzes erhalten bleiben soll und nicht nur die größten 1000 Unternehmen in Deutschland die inhaltlich stärkere europäischen Richtlinie werden erfüllen müssten. Neue Partnerschaften sollen übrigens an Menschenrechten und Umweltschutz ausgerichtet werden.

Die Linke nennen in ihrem Wahlprogramm die EU-Lieferkettenrichtlinie nicht explizit, doch sie wollen das deutsche Lieferkettengesetz stärken – und sind damit die einzige Partei, die in dieser Hinsicht Ambitionen hat. Außerdem sollen Rohstoffabkommen demokratisch, ökologisch, sozial sein und Wertschöpfung in Partnerländern ermöglichen. Die Partei spricht sich außerdem explizit gegen „grünen Kolonialismus“ aus, wenngleich sie keine konkreten Gesetzesvorhaben nennt, die das sicherstellen könnten.

Unsere Forderungen an die neue Regierung

Ist ein Lieferkettengesetz, das Unternehmen verpflichtet, Umweltstandards und Menschenrechte zu achten, wirklich so wahnsinnig progressiv und ein Bürokratiemonster, das sofort wieder abgeschafft werden muss? In einer Welt, in der die Reichen immer reicher, die Armen immer ärmer werden, in einem Wirtschaftssystem, in dem Wachstum und Profit viel zu häufig nur durch die Ausbeutung von Menschen und den Raubbau am Planeten realisiert werden, sollte sich diese Frage überhaupt nicht stellen.

Werden die Inhalte der Wahlprogramme mit den aktuellen Wahlprognosen kombiniert, dann sieht es aber absolut nicht rosig aus, weder für das deutsche Lieferkettengesetz, noch für die EU-Lieferkettenrichtlinie. Die EU-Verordnung für legale und entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) wurde einzig und allein von der FDP erwähnt: Sie sei praxisuntauglich. Sonst nichts.

Dem Wohlergehen und Wachstum der deutschen Wirtschaft wird deutlich mehr Bedeutung zugeschrieben, mehr Bedeutung als der Umweltzerstörung, der importierten Entwaldung, den desaströsen Folgen des Extraktivismus. Wir erwarten mehr von der neuen Bundesregierung.

ROBIN WOOD fordert

  • Konsequente Anwendung des dt. Lieferkettengesetzes, keine Abschaffung!
  • Konsequente Umsetzung der EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) und der EU-Verordnung gegen Entwaldung (EUDR) – umfassende Kontrollen, wirksame Sanktionen!
  • Stärkung der Gesetze, keine Abschwächung im Rahmen der Omnibus-Verordnung!
  •  

Zum Hintergrund

LkSG und CSDDD

Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) trat zum 1. Januar 2023 in Kraft. Die europäische Lieferkettenrichtlinie CSDDD (Corporate Sustainability Due Diligence Directive) wurde Anfang des letzten Jahres beschlossen, eine schrittweise Einführung ist jedoch erst ab 2027 vorgesehen. Zwar ist der Geltungsrahmen des LkSG größer, d.h. mehr Unternehmen sind verpflichtet, die entsprechenden Sorgfaltspflichten zu erfüllen, jedoch ist die EU-Richtlinie inhaltlich wesentlich stärker.

Omnibus-Gesetz

Ende 2024 hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein sogenanntes „Omnibus-Gesetz“ angekündigt. Ein solches Gesetz sieht vor, mehrere Gesetze gleichzeitig zu erlassen oder zu überarbeiten. Konkret plant von der Leyen, Berichtspflichten zu reduzieren und dafür drei Säulen des Green Deal anzupassen: Neben der EU-Richtlinie zur Unternehmens-Nachhaltigkeitsberichterstattung und der Taxonomie-Verordnung soll die CSDDD überarbeitet werden!

Und die Gerüchte aus Brüssel nehmen nicht ab: Es steht zu befürchten, dass die angekündigte Omnibus-Verordnung nicht nur zur „Vereinfachung“ der Nachhaltigkeitsberichterstattung genutzt wird. Die Gefahr, dass die EU-Lieferkettenrichtlinie erneut geöffnet wird, ist leider real. Einer radikalen Abschwächung wäre damit Tür und Tor geöffnet. Erst Ende letzten Jahres ist ähnliches passiert: Durch einen Änderungsantrag der EU-Kommission wurde die EUDR geöffnet und wurde fast vollkommen ausgehöhlt.

EUDR

Der Anwendungsstart der EU-Verordnung für entwaldungsfreie Produkte (EUDR) wird um ein Jahr aufgeschoben. Dem entsprechenden Änderungsantrag der EU-Kommission hat das EU-Parlament im November 2024 zugestimmt. Mit dieser Verzögerung nimmt die EU nun billigend in Kauf, dass Entwaldung für den Anbau von Kaffee, Kakao und Palmöl weitergehen wird. ROBIN WOOD und viele andere Umwelt- und Menschenrechtsorganisation hatten weltweit für dieses Gesetz gekämpft, die Unterstützung aus der Zivilgesellschaft war enorm. Es ist erschreckend, wie ein Gesetz, das bereits 2023 mit großer Mehrheit vom EU-Parlament beschlossen wurde, innerhalb von wenigen Tagen fast zerstört werden konnte.

Einen ersten Aufschlag für ein Umsetzungsgesetz der EUDR hatte das Bundeslandwirtschaftsministerium Ende Oktober 2024 veröffentlicht. Der Gesetzgebungsprozess wurde nach einer ersten Verbändeanhörung jedoch kurzfristig abmoderiert, als klar war, dass die EUDR verschoben wird. Die neue Bundesregierung wird sich damit befassen müssen.

---

ROBIN WOOD kämpft seit Jahrzehnten dafür, dass Unternehmen ihre Lieferketten transparent, legal und entwaldungsfrei halten. Selbstverpflichtungen und Zertifizierungen konnten Entwaldung und Menschenrechtsverletzungen nicht aufhalten. Wir brauchen rechtlich bindende Mindeststandards und Sorgfaltspflichten für Unternehmen!