Gesetz gegen globale Entwaldung

Ende gut, alles gut?

22. August 2023
Tropenwald
Fenna Otten
Tropenwaldreferentin
Magazin

Am 29. Juni trat in Europa die Verordnung gegen die globale Entwaldung in Kraft, kurz EUDR. Damit müssen nun die Mitgliedstaaten diese Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten in nationales Recht umsetzen. Denn ohne entsprechende Behörden und Menschen, die Kontrollen durchführen, und ohne Sanktionen bliebe die Verordnung ein riesiger Papiertiger.

Die EU ist einer der größten Treiber von Waldzerstörung. Laut einer Studie des WWF wurden zwischen 2004 und 2017 allein in den Tropen und Subtropen über 43 Millionen Hektar Wald an den sogenannten Entwaldungsfronten vernichtet – die EU ist verantwortlich für 16 Prozent dieser Entwaldung und damit zweitgrößte Treiberin der Entwaldung. Freiwillige Selbstverpflichtungen nutzten in der Vergangenheit nichts. Deshalb wurde ein gesetzlicher Rahmen gefordert, auch von ROBIN WOOD. Produkte, die auf den Märkten in Europa gehandelt werden, sollten nicht mehr aus Entwaldung stammen.

Ende gut, alles gut?

2020 fand eine öffentliche Konsultation der EU-Kommission statt. Im November 2021 legte die Kommission ihren Gesetzentwurf vor. Es folgten Diskussionen im Rat der EU und im Parlament. Nach dem Trilog dieser Institutionen wurde im September 2022 über Kompromisse und Änderungen abgestimmt und damit war es geschafft: Es gab ein Gesetz gegen globale Entwaldung! Seit dem 29. Juni 2023 ist die Verordnung in Kraft.
Bis zum Jahresende, sechs Monate nach Inkrafttreten, müssen nun die Mitgliedsstaaten „zuständige Behörden“ benennen, die für die Durchführung und Durchsetzung der Verordnung verantwortlich sind. Diese Behörden müssen über „angemessene Befugnisse, funktionale Unabhängigkeit und Ressourcen” verfügen, um ihre Verpflichtungen im Rahmen der Verordnung zu erfüllen. Das bedeutet auch, genügend Menschen einzustellen, die die Arbeit erledigen. Noch ein Jahr später, 18 Monate nach Inkrafttreten, ist die Verordnung dann für alle Marktteilnehmer*innen rechtlich verbindlich.
 
Was bedeutet „entwaldungsfrei“ ?

Ab dem 30. Dezember 2024 dürfen Palmöl, Soja, Rindfleisch, Kaffee, Kakao, Kautschuk und Holz, sowie viele daraus hergestellte Produkte, nur noch dann in der EU gehandelt werden, wenn sie nachweislich „entwaldungsfrei“ sind. Bis dahin gilt für Holz und verarbeitetes Holz noch die europäische Holzhandelsverordnung (EUTR), danach nur noch in bestimmten Ausnahmefällen. So weit, so gut.

Beispiel Soja: In Argentinien wird Soja auf einem Feld  angebaut, das 2021 gerodet wurde. Damit ist das Soja natürlich nicht entwaldungsfrei. Wenn das Feld jedoch nur ein Jahr zuvor gerodet worden wäre, dann wäre das Soja laut EUDR entwaldungsfrei und kann in die EU importiert werden – denn der Tag, ab dem nicht mehr entwaldet werden darf, ist der 31. Dezember 2020. Das ist ein sehr spätes Stichjahr – und bleibt z.B. weit zurück hinter dem Soja-Moratorium Brasiliens, das den Handel, die Finanzierung und den Erwerb von Soja untersagt, das von Regenwaldflächen stammt, die nach Juli 2008 gerodet wurden.

Extrem wichtig ist an dieser Stelle auch die Frage, wie Wald in der EUDR definiert wird. Wälder sind „Flächen von mehr als 0,5 Hektar mit über fünf Meter hohen Bäumen und einer Überschirmung von mehr als 10 Prozent oder mit Bäumen, die auf dem jeweiligen Standort diese Werte erreichen können, ausgenommen Flächen, die überwiegend landwirtschaftlich oder städtisch genutzt werden“. Und damit werden weite Flächen der Baum- und Buschsavannen des Cerrado in Südamerika ausgeschlossen. Eine Region, in der die Entwaldungsrate größer ist als im Amazonas-Regenwald.

Die Verordnung bezieht sich nicht nur auf Entwaldung in tropischen Regionen. Mit ihr soll der globalen Entwaldung Einhalt geboten werden. Sie gilt für Produkte aus den tropischen Regenwäldern Malaysias genauso wie für die borealen Urwälder Kanadas oder die verbliebenen Wälder Skandinaviens. Es geht nicht nur darum, dass Entwaldung nicht in die EU importiert werden soll. Es dürfen in der EU grundsätzlich keine Produkte mehr gehandelt werden, deren Produktion zu Entwaldung geführt haben. Das bedeutet, dass auch Holz, das in Deutschland gewachsen, geerntet, verarbeitet und verkauft wird, weder zu Entwaldung noch Waldschädigung geführt haben darf.

So erklärt sich auch, dass Mitgliedstaaten der EU mit starker Forstwirtschaft besonders kritisch gegenüber strikten und einheitlichen Regeln für die Forstwirtschaft in Europa waren oder den Schutz von Landrechten indigener Völker durch die EUDR zu schwächen versuchten. Denn die Landrechte der Saami hätten mit der EUDR gestärkt werden können. Doch nun müssen die Produkte der EUDR (inkl. Holz) nur insofern entwaldungsfrei und legal (!) sein, als dass die im Produktionsland geltenden Rechte geachtet werden. Nicht aber muss grundsätzlich beispielsweise die ILO-Konvention 169 zum Schutz der Rechte indigener Völker geachtet werden.

Wie geht es weiter?

Innerhalb der nächsten zwei Jahre muss die Kommission prüfen, ob die Liste der Produkte erweitert werden sollte. Mais oder Zuckerrohr könnten nachgetragen werden – aber auch Agrokraftstoffe oder besonders entwaldungskritische Rohstoffe aus dem Bergbau. Oder ob endlich Finanzinstitute in die Verantwortung genommen werden– denn sie sind diejenigen, die einen großen Teil der Umweltzerstörung finanzieren. Es bleibt noch viel zu tun!