Kein Kahlschlag für Kautschuk!
Wo einst Urwaldriesen wuchsen, steht jetzt in endlosen Reihen Hevea brasiliensis, der Kautschukbaum. Von der ursprünglichen Artenvielfalt des tropischen Regenwaldes ist nichts mehr geblieben. Für die Gier nach Gummi wurden bereits riesige Waldflächen Südostasiens und Chinas abgeholzt. Die Anbaufläche hat sich in den letzten 20 Jahren verdoppelt. Bis 2030, so aktuelle Prognosen, soll die Nachfrage um ein Drittel weiter steigen.
Fast 15 Millionen Tonnen Natur-Kautschuk werden jedes Jahr weltweit produziert – auf mehr als 12 Millionen Hektar Land. Seit 2000 hat sich die Produktion mehr als verdoppelt und es wird ein weiterer Anstieg der Nachfrage prognostiziert. 70 Prozent der Produktion verschlingt die Reifenindustrie. Die größte Nachfrage kommt aus China, gefolgt von den USA und der EU – und Deutschland ist Europas größter Importeur von Naturkautschuk.
Der Kautschukbaum ist in den feuchten Tropen um den Äquator heimisch – eine sehr artenreiche Region. Regional wurden ehemals verschiedene Kautschuk-Arten angebaut, durchgesetzt hat sich der Hevea brasiliensis – auch Para-Kautschuk genannt. Er stammt aus der Region Pará in Brasilien und wird heute weltweit gepflanzt. Kautschuk wird heute fast ausschließlich in Monokulturen angebaut. Im Laufe des 20. Jahrhunderts hatte sich der Anbau von Kautschuk intensiviert und ausgeweitet, immer größere Kautschuk-Plantagen sind entstanden. Die eingesetzten Düngemittel und Pestizide sickern in die Böden und verschmutzen Gewässer, Menschen werden krank. Mittlerweile ist Südostasien zum Hauptanbaugebiet geworden.
Südostasien produziert für den Weltmarkt
Thailand produziert jährlich fast 5 Millionen Tonnen Kautschuk, Indonesien folgt mit 3,4 Millionen Tonnen, Malaysia liegt auf dem dritten Platz. Diese drei Länder sind auch die größten Weltmarktproduzenten von Palmöl. Während viele alte Kautschukwälder durch Ölpalmplantagen ersetzt werden, breitet sich der Anbau von Kautschuk in Regionen aus, die bisher nicht zu den traditionellen Anbaugebieten zählten. Der Druck auf verbliebene Wälder, Feuchtgebiete und andere wertvolle Ökosysteme steigt immer weiter – so auch auf die verbliebenen Tropenwälder Sumatras:
Die Tieflandregenwälder Sumatras sind außergewöhnlich artenreich. Das Landschaftsökosystem Bukit Tigapuluh ist eines der letzten großen zusammenhängenden Tieflandregenwälder Sumatras – und einer der letzten Lebensräume für Sumatra-Orang-Utans, Sumatra-Tiger und Sumatra-Elefanten. Das Ökosystem ist jedoch nur zur Hälfte durch den Nationalpark Bukit Tigapuluh („30 Hügel“) geschützt. Die Konzessionen für Kautschuk-Plantagen grenzen teilweise direkt an den Nationalpark. Es existiert zwar eine Pufferzone zwischen der Plantage und dem Nationalpark, doch selbst innerhalb dieser Schutzzone wurden Wälder gerodet und Lebensräume zerstört, wie die Satellitenbilder oben zeigen. Mehr dazu gibt es hier zu lesen.
Soziale Auswirkungen
Kautschuk wird vor allem von Kleinbauern und Kleinbäuerinnen angebaut, in Südostasien ernten sie etwa 85 Prozent des milchigen Safts. Ob sie tatsächlich vom Kautschuk-Anbau leben können, ist regional jedoch sehr unterschiedlich und hängt von mehreren Faktoren ab. Grundsätzlich aber ist der Weltmarktpreis sehr niedrig und schwankt stark. In manchen Regionen sind die Kleinbäuerinnen und -bauern auch abhängig von Preisvorgaben der Händler*innen. Existenzen allein mit dem Anbau von Kautschuk zu sichern, ist extrem schwierig.
Hinzu kommt, dass immer mehr Unternehmen in den Kautschukanbau einsteigen. Bei der großflächigen Konzessionsvergabe werden Landrechte der lokalen Bevölkerung häufig ignoriert und unklare Nutzungsrechte von staatlichen Institutionen zugunsten der Investoren ausgelegt. Kompensationen sind sehr niedrig oder werden gar nicht erst gezahlt.
Die Arbeitsbedingungen auf den agrar-industriellen Plantagen sind teilweise extrem schlecht und die Löhne zu niedrig, um davon zu leben – auch wenn ein festes Einkommen für die Arbeiter*innen einen großen Unterschied machen könnte. Hier wird besonders deutlich, dass die Profite der Kautschukindustrie in den globalen Wertschöpfungsketten versickern, nicht aber bei den Menschen auf den Plantagen ankommen.
Abgefahren: Berge von Altreifen!
570.000 Tonnen Altreifen produzieren wir in Deutschland jedes Jahr aufs Neue – und es werden immer mehr. Ein Großteil davon wird verbrannt, geschreddert oder zermahlen, nur ein Drittel der Reifen wird „runderneuert“. Das bedeutet, dass die Karkasse des Reifens erhalten bleibt, nur das abgefahrene Profil abgetragen und eine neue Kautschuk-Mischung aufgetragen wird.
Ein hochwertiger Autoreifen kann vier- bis sechsmal runderneuert werden. Damit würden im Vergleich zur Neuproduktion 70 Prozent Kautschuk eingespart werden! So könnte nicht nur die Nachfrage nach Naturkautschuk sinken, sondern gleichzeitig der Verbrauch von synthetischem Kautschuk reduziert und damit Rohöl und Stahl gespart werden, der Energieverbrauch gesenkt und letztlich die gesamte CO2-Bilanz verbessert werden.
Die Zerstörung des tropischen Regenwaldes muss gestoppt werden! Kautschuk-Plantagen wirken sich verheerend auf die Artenvielfalt aus. Gibbons und Makaken, Tiger und Elefanten sind massiv bedroht. Vögel, Fledermäuse und Wirbellose können zwischen den verödeten Baumreihen nicht existieren. Doch während es zu Palmöl, Kaffee und Kakao längst breite Diskurse zu Umwelt- und Sozialverträglichkeit gibt, spricht kaum jemand über Kautschuk. Das wollen wir ändern!
ROBIN WOOD nimmt die mächtige Gummi- und Kautschukindustrie ins Visier, die weiter versucht, Kautschuk als Ursache für die Zerstörung von Wäldern in Südostasien und China, in Westafrika, Zentral- und Mittelamerika kleinzureden.
Sind unsere Lieferketten entwaldungsfrei?
Seit dem Sommer gibt es ein Lieferkettengesetz in Deutschland, allerdings ist es viel zu schwach. Jetzt haben wir die einmalige Chance – über ein starkes Gesetz auf EU-Ebene – Umweltzerstörung zu stoppen, und zwar entlang der gesamten Lieferketten.
Könnte das das Ende von Kahlschlag für immer neue Kautschukplantagen sein? Vielleicht. Die EU-Kommissionabteilung Umwelt hat in den letzten Monaten einen Gesetzesentwurf erarbeitet, der am 17. November veröffentlicht wurde (hier entlang zur Pressemitteilung). Das Gesetz für „entwaldungsfreie Lieferketten“ soll für Agrarrohstoffe gelten, deren Anbau im Zusammenhang mit Entwaldung und der Zerstörung anderer wertvoller Ökosysteme steht. Sojafelder, soweit das Auge reicht, Ölpalmplantagen bis zum Horizont, wo einst artenreiche Tropenwälder standen. Das soll in Zukunft verhindert werden. Der Konsum Europas soll nicht verantwortlich sein für die voranschreitende Zerstörung unseres Planeten. Allerdings wird dieses Gesetz, so sieht es im Moment aus, nicht für Kautschuk gelten.
Etwa 80 Prozent der globalen Entwaldung ist auf landwirtschaftliche Produktion zurückzuführen. Landwirtschaft ist die Hauptursache für die Zerstörung von Lebensräumen, von Wäldern und anderen Ökosystemen. Schon vor über 10 Jahren hatten Unternehmen sich verpflichtet, Rohstoffe bis 2020 verantwortungsvoll zu beschaffen. Trotz ihrer Selbstverpflichtungen hat sich nicht viel verändert: Die globale Landwirtschaft bleibt eine der Hauptursachen für die Zerstörung von Wäldern und anderen Ökosystemen.
Deshalb brauchen wir keine weiteren Selbstverpflichtungen oder wirkungslose Nachhaltigkeitsinitiativen. Wir brauchen ein Lieferkettengesetz, einen effektiven gesetzlichen Rahmen für Europa. Dafür machen wir uns stark.