Saubere Autos sind eine dreckige Lüge

Die diesjährige IAA gibt sich grün, doch eine Mobilitätswende sieht anders aus

03. September 2021
Mobilität
Dominique Just
ROBIN WOOD-Referentin Mobilität
Magazin

Nach den zahlreichen und vielfältigen Protesten gegen die Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) 2019 in Frankfurt, an denen sich ROBIN WOOD mit einer bildgewaltigen Aktion beteiligt hatte, entschied die Stadt Frankfurt, die IAA nicht mehr auszurichten. Der Gegenprotest zeigte wirkungsvoll: eine Automesse auszurichten, ist angesichts der Klimakrise und den Versäumnissen bei der Mobilitätswende nicht mehr zeitgemäß.

IAA in München gibt sich grün
 
Umso erstaunlicher, dass München um die Gunst der Autolobby buhlte und nun dieses Jahr vom 7. bis 12. September zum ersten Mal die IAA ausrichtet. Neu dabei ist aber nicht nur der Standort, sondern auch, dass sich Automobil­aussteller über ein weites Stadtgebiet ausbreiten dürfen – als wäre die Verteilung von öffentlichem Raum zugunsten von Autos und zulasten von Menschen nicht schon ungerecht genug. Doch die IAA versucht – nicht zuletzt aufgrund der massiven Proteste und eines sich wandelnden gesellschaftlichen Diskurses für die Mobilitätswende – sich dieses Jahr ein trügerisches grünes Mäntelchen zu geben. Es heißt, die IAA sei keine Auto-Messe mehr, sondern eine Messe „für neue Mobilitätskonzepte“, bei der auch Fahrradhersteller ausstellen werden. Der Fokus der diesjährigen Automobilmesse wird jedoch auf Elektroautos und weiteren so genannter „Low- and No-Emission-Fahrzeugen“ mit „innovativen Antrieben“ (z.B. Wasserstoff-Autos) liegen.
Dass die IAA sich nun besonders grün gibt, kann einerseits als Kuschelkurs mit der Bewegung für eine Mobilitätswende verstanden werden. Die Autolobby hofft aber andererseits, dass die vermeintlich grüne Automesse einen Imagewechsel bringt, der ihre Profite sichert.

Doch die Mobilitätswendebewegung lässt sich nicht blenden. Denn E-Autos oder mit Wasserstoff betriebene Fahrzeuge sind alles andere als emissionsfrei – erst recht, da der Produktionstrend hin zu immer größeren, schnelleren und schwereren Autos ungebrochen bleibt. Die Produktion der dazu notwendigen schweren Autobatterien ist nämlich besonders ressourcen- und energieintensiv. Und solange fossile Energien noch eine große Rolle im deutschen Strommix spielen, ist auch der Betrieb von E-Autos nicht emissionsfrei. Auch wasserstoffbetriebene Autos sind lange nicht so grün wie oft behauptet: Der Energiebedarf für die Produktion von Wasserstoff ist unverhältnismäßig groß, und dazu wird Wasserstoff häufig aus fossilem Erdgas gewonnen. In beiden Fällen fallen zwar im Vergleich zu konventionellen Verbrennerautos beim Fahren selbst weniger CO2-Emissionen an – diese entstehen jedoch an anderer Stelle.
Eine solche grüne Scheinlösung hilft dem Klima nur wenig, sodass das Greenwashing zurecht auf Kritik stößt. Statt vermeintlich grüner, hochmotorisierter Autos braucht es dringend eine Reduktion des motorisierten Individualverkehrs und Vorfahrt für ÖPNV, Rad- und Fußverkehr.

Neben einem Fokus auf E-Autos verfolgt die IAA dieses Jahr aber auch ein neues Ausstellungskonzept: Die Automesse ist dieses Jahr erstmals nicht auf ein Messegelände reduziert, sondern wird sich über die gesamte Münchner Innenstadt erstrecken. Im öffentlichen Raum sollen so genannte „Open Spaces“ stattfinden, deren Fokus auf besagten innovativen Mobilitätskonzepten liegen, aber gleichzeitig als Ausstellungsort für Flugtaxis dienen soll. Die Heuchelei der Autolobby wird somit deutlich sichtbar.

Zusätzlich wird eigens für die IAA eine zwölf  Kilometer lange Sonderfahrspur namens „Blue Lane“ eingerichtet, die das Messegelände mit den innerstädtischen Ausstellungsorten verbindet und gleichzeitig als Teststrecke für Fahrzeuge dienen soll. Die Einrichtung dieser Sonderspur wurde jedoch an den Münchner Bezirksausschüssen und der Bevölkerung vorbei geplant. Die mangelnde gesellschaftliche Beteiligung und Kontrolle bei der Planung der diesjährigen Ausstellung wurde bereits vielfach kritisiert. Obwohl sich dieses Jahr deutlich weniger Automobilhersteller aus dem Ausland angekündigt haben, wird die IAA mit ihrem neuen Konzept heiß diskutiert. Dass ausgerechnet eine Automobilausstellung eine der ersten internationalen Großveranstaltungen in einer noch immer andauernden Pandemie sein wird, während systemrelevante Bereiche wie die Pflege, aber auch Kunst und Kultur an vielen Stellen noch immer zu wenig staatliche Unterstützung erfahren, stößt nicht nur auf Begeisterung. Die Priorität der Bundesregierung bei der Krisenbewältigung scheint noch immer auf der Automobilindustrie zu liegen.

Gegenprotest für eine sozial- und klimagerechte Mobilitätswende von unten

Doch der Gegenprotest dazu lässt nicht auf sich warten: Neben einer Radsternfahrt und Großdemo gegen die IAA wie 2019 wird es dieses Mal erstmals auch einen Gegenkongress geben. Der Kongress für Transfomative Mobilität „KonTraIAA“ am 9. und 10. September versteht sich laut eigener Angabe als 100 Prozent konzernfreie Gegenveranstaltung zur IAA und zum Mobilitätskongress, der von der Stadt München in enger Zusammenarbeit mit dem Verband der deutschen Automobilindustrie ausgerichtet wird. Der „KontraIAA“ legt seinen Fokus auf eine sozial- und klimagerechte Mobilitätswende von unten und wird von Umweltverbänden, Gewerkschaften, Wissenschaftler*innen und Initiativen aus der Mobilitätswende- und Klimagerechtigkeitsbewegung gestaltet. Auch ROBIN WOOD wird mit eigenen Beiträgen auf dem Kongress vertreten sein.

Doch damit nicht genug: Mehrere Gruppen, u.a. das klimaaktivistische Prostestbündnis "Sand im Getriebe" kündigen zivilen Ungehorsam an. Und es wird erwartet, dass die Proteste gegen die IAA 2021 in München sogar noch größer werden als 2019 in Frankfurt. Auch ROBIN WOOD wird sich gewaltfrei an den Protesten gegen die IAA und eine autozentrierte Politik beteiligen: Gegen das „Weiter wie bisher“ mit grünem Anstrich und für einen radikalen Wandel!