Teslas Gigafabrik in Brandenburg
Eine sozial-ökologische Verkehrswende sieht anders aus
Ende letzten Jahres kündigte Tesla an, in der Gemeinde Grünheide südöstlich von Berlin die vierte so genannte „Gigafabrik“, ein großes Werk für Elektroautos, zu errichten. Zunächst einmal hatte die brandenburgische Landesregierung dem Autokonzern den roten Teppich ausgerollt. Tesla hatte schon im November bei der Brandenburger Landesregierung Fördermittel aus dem Topf der Regionalförderung beantragt, von denen vermutet wird, dass ihre Höhe weit mehr als 100 Millionen Euro beträgt. Das Werk soll im Juli 2021 in Betrieb gehen und zunächst die Elektrolimousine Model 3 und den Kompakt-SUV Model Y – sowie „künftige Modelle“ produzieren. Geplant ist, bei voll ausgelasteter Kapazität etwa 500.000 Elektroautos im Jahr vom Band rollen zu lassen. Doch bei aller politischer und öffentlicher Begeisterung für die Gigafabrik ließen auch kritische Nachfragen und Gegenwehr von Anwohner*innen, Umwelt- und Verkehrsverbänden nicht lange auf sich warten. Auch wir von ROBIN WOOD sehen die Tesla Gigafabrik sowie den Jubel aus Landes- und Bundespolitik aus mehreren Gründen kritisch.
Auf der einen Seite vermissen viele Anwohner*innen eine Beteiligung und die Berücksichtigung ihrer Interessen. Teslas Verhandlungen mit der brandenburgischen Landesregierung – wie auch mit vielen anderen Regierungen – fanden im Geheimen statt, was von vielen Anwohner*innen deutlich kritisiert wird. Bei einem öffentlichen Treffen versprach der brandenburgische Wirtschaftsminister Steinbach von da an Transparenz und einen offenen Diskurs. Doch auch aktuell scheint die versprochene Transparenz und offene Informationspolitik weder von Tesla noch von der Kommunal- und Landespolitik umgesetzt zu werden.
Zwar läuft seit dem 6. Januar 2020 die öffentliche Auslegung des Berichts über die Umweltverträglichkeitsprüfung der geplanten Fabrik. Bei vielen Bürger*innen kommt dennoch die Befürchtung auf, dass hier aktuell eine Scheinbeteiligung umgesetzt wird, während Entscheidungen insgeheim bereits feststehen. Bemerkenswert ist etwa, dass noch während das öffentliche Beteiligungs- und Genehmigungsverfahren läuft, Tesla in nicht öffentlichen Gesprächen mit verschiedenen Umweltverbänden über die Ausgestaltung des Fabrikbaus verhandelt.
Außerdem strebt Tesla ein ungewöhnlich hohes Tempo bei den Verfahren zur Genehmigung und zum Kauf des Grundstückes an, sodass lokale Umweltorganisationen ein Schnellverfahren befürchten, in dem nicht alle Aspekte umfassend und mit Weitsicht geprüft werden. Etwa 90 der insgesamt 155 Hektar großen bewaldeten Fläche hat Tesla bereits für seine gigantische Fabrikhalle roden lassen, und das in einem sehr hohen Tempo, da die Rodungssaison Ende Februar endete. Diese Waldfläche wurde zwar von einigen Seiten als ökologisch nicht besonders hochwertig eingeschätzt. Doch das zukünftige Tesla-Gelände liegt inmitten des ca. 230 km² großen Landschaftsschutzgebietes „Müggelspree-Löcknitzer Wald- und Seengebiet“. Das Gebiet ist gleichzeitig ein Trinkwasserschutzgebiet. Die öffentlich einsehbare Umweltverträglichkeitsprüfung prognostiziert einen sehr hohen Wasserverbrauch der geplanten Fabrik. Auch wenn Tesla diese Maximalwerte inzwischen nach unten korrigiert hat, stellt dies angesichts der vergangenen und zu erwartenden klimawandelbedingten Dürresommer in Brandenburg ein Risiko für die Brandenburger Landwirtschaft sowie für das Landschaftsschutzgebiet dar. Nach Gesprächen mit Umweltverbänden will Tesla den Wasserverbrauch nun durch Wiederverwertung von Abwasser und andere Kühlsysteme senken. Auch die neuen Planungen müssen jedoch kritisch begleitet werden, um das übermäßige Belasten des Grundwassers, der regionalen Trinkwasserversorgung und die damit verbundenen Risiken der Austrocknung zu vermeiden.
In den letzten Wochen bezogen sich viele lokale Umweltschützer*innen und Bürger*inneninitiativen mit ihrer Kritik und ihren Protesten vor allem auf die Standortwahl für die geplante Gigafabrik. ROBIN WOOD sieht es zwar einerseits ebenfalls kritisch, dass Bäume gerodet werden, während vor allem in den neuen Bundesländern viele bereits versiegelte Industriebrachen nicht genutzt werden. Doch die Standortfrage ist für uns zweitrangig – denn auch unabhängig davon ist das Großprojekt aus verkehrs- und energiepolitischer Sicht kritikwürdig. Eine reine Antriebswende ist noch lange keine Verkehrswende. Auch wenn alle neu zugelassenen Pkw in Zukunft Elektroautos sein sollten, wird dies allein nichts daran ändern, dass Autos weiterhin wertvolle Flächen in Städten beanspruchen, wenn sie die meiste Zeit ungenutzt herumstehen und Straßen verstopfen, wenn sie genutzt werden.
Die Produktion von E-Autos benötigt zudem sehr viele Ressourcen, die bereits jetzt unter katastrophalen Bedingungen für Mensch und Umwelt in Ländern des Globalen Südens abgebaut werden. Der Abbau von Lithium für E-Autobatterien verstärkt zum Beispiel die massive Wasserknappheit in den kolumbianischen Abbaugebieten, die ohnehin schon vom Klimawandel angeheizt wird. Der Jubel über „grüne Jobs“ in Brandenburg greift also zu kurz. Wirklich grün wäre es, mehr und insgesamt bessere Jobs im öffentlichen Verkehrssektor zu fördern, etwa um Straßenbahnen zu bauen. Die Subventionen, die Tesla von der Brandenburgischer Landesregierung erhalten wird, wären also sinnvoller für eine echte Verkehrswende eingesetzt.
Darüber hinaus stellen Teslas E-SUV keinen Beitrag zu einer wirklich ökologischen Antriebswende dar. Tesla stellt vor allem große, schwere und schnell beschleunigende E-Autos her, die sich preislich an der gehobenen Mittelschicht orientieren. Ein großes E-Auto mit extremen Beschleunigungswerten und leistungsfähigen, daher schweren Batterien zu bewegen, verbraucht extrem viel Energie, Ressourcen und Platz – mit echtem Klimaschutz hat da weder die Unternehmensphilosophie noch die Kaufmotivation besonders viel zu tun. Fraglich ist in diesem Zusammenhang auch, wer sich denn überhaupt diese vermeintlich „nachhaltige“ autozentrierte E-Mobilität leisten kann. Verkehrswende darf kein Verteilungskampf um Status und Ressourcen werden, sondern muss Allen zugute kommen.
Nun bleibt dennoch festzustellen, dass eine autofreie Zukunft zwar wünschenswert wäre, es aber wahrscheinlich ist, dass wir bis dahin weiterhin auf einige Kraftfahrzeuge angewiesen sein werden. Für das Klima wäre es immerhin etwas besser, wenn die noch notwendigen Autos elektrisch statt von fossilen Brennstoffen betrieben werden – zumindest wenn der Strom dafür aus regenerativen Quellen stammt. Doch diese notwendigen E-Autos, die z. B. für Carsharing in ländlichen Räumen genutzt werden, sollten selbstverständlich so klein, ressourcenschonend, energie- und platzsparend wie möglich sein. Gerade Teslas Modelle sind also mit dem Ziel einer möglichst umweltverträglichen Antriebswende als Teil einer umfassenderen Verkehrswende nicht vereinbar.
Des Weiteren ist die Produktion von CO2-armen E-Autos ohne den – möglichst sparsamen! – Einsatz Erneuerbarer Energien nicht denkbar. Aber Tesla plant zumindest in der ersten Bauphase in Grünheide kein Dach mit Solarzellen zur Stromerzeugung.
Zwar hat Tesla verlauten lassen, dass der Strom in Grünheide zukünftig aus Solarzellen vom Werksdach kommen soll, die Erfahrungen mit Teslas Gigafabriken in Nevada und Shanghai legen jedoch die Vermutung nahe, dass der Bau nicht die höchste Priorität genießt. Dass grüne Bild, das Tesla von der Gigafabrik in Grünheide zeichnen will, muss daher hinterfragt werden. Ein weiterer Kritikpunkt aus verkehrspolitischer Sicht ist, dass die Fabrik zusätzliche Personen- und Güterverkehrsströme verursachen wird. Aus dem Bericht der Umweltverträglichkeitsprüfung geht zum Beispiel hervor, dass im Normalbetrieb mit einem An- und Ablieferverkehr von ca. 463 Lkw pro Tag gerechnet wird. Legt man die im UVP-Bericht für den Betrieb angegebenen Zahlen des Güter- und Personenverkehrs zugrunde, würde sich der Verkehr auf der A10 um 35 Prozent erhöhen.
Hier gibt es noch viel Potenzial, diese Verkehrsströme erstens zu verringern und zweitens auf die Schiene zu verlagern. Tesla muss daher ein klimagerechtes Verkehrskonzept für das zusätzliche Verkehrsaufkommen entwickeln, um straßenverkehrliche Beeinträchtigungen in angrenzenden Siedlungen und Naturräumen größtmöglich zu vermeiden.
Im aktuell aufgeheizten Diskurs um eine „grüne Wirtschaft“ am Automobilstandort Deutschland bleibt schlussendlich festzuhalten, dass es Tesla genauso wie anderen Automobilunternehmen nicht um eine Dekarboniserung der Wirtschaft oder des Verkehrssektors, sondern um Profit geht. Natürlich darf dabei nicht vergessen werden, dass alle Unternehmen unter systemischen Wachstums- und Profitzwängen stehen. Aber das vermeintlich „grüne Image“, das nicht nur Tesla, sondern auch die Elektroautomobilität insgesamt genießt, muss gründlich hinterfragt werden, solange deren Produktion und Betrieb nicht möglichst klimaneutral und energiesparend gestaltet werden. Große, schnelle und schwere E-Autos werden uns nicht den Weg in die Zukunft weisen, denn die effizienteste Elektromobilität rollt jetzt schon auf der Schiene. Dabei ist nicht nur ein Umsteuern bei Tesla gefragt, auch die Landes- und Bundespolitik sollte ihre Subventions- und Verkehrspolitik in diesem Sinne überdenken. Die verfehlte Verkehrspolitik der letzten Jahrzehnte hat zu einer Abhängigkeit vom motorisierten Individualverkehr geführt, die überwunden werden muss.
Wir brauchen daher sowohl eine echte Verkehrswende, die diesen Namen verdient, als auch einen grundlegenderen sozial-ökologischen Strukturwandel für Regionen wie Brandenburg. ROBIN WOOD fordert dafür eine Abkehr von autozentrierten Verkehrssystemen und eine gerechte Mobilität für Alle, sowohl in der Stadt als auch auf dem Land. Dies kann erreicht werden, indem dem Rad- und Fußverkehr Vorrang eingeräumt wird, aber auch durch Stärkung und Ausbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs, inklusive Verbesserungen der Arbeitsbedingungen in diesem Bereich.