Kletterprotest in Lüneburg!

Auch während Bauarbeiten muss gelten: Barrierefreie Bahn für alle!

Protestkletteraktion am Lüneburger Bahnhof

09. Oktober 2024
Mobilität
ROBIN WOOD Hamburg-Lüneburg
Pressemitteilung

Aktivist*innen von ROBIN WOOD, Klimakollektiv Lüneburg und Lüneburg barrierefrei protestierten heute mit einer Kletteraktion am Lüneburger Bahnhof. In der Unterführung zu den Gleisen 2/3 kletterten sie im Rollstuhl und präsentierten Banner mit den Forderungen: "Die Stufen müssen weg!" und "Mobilitätswende für alle". Die Aktivist*innen haben ihren eigenen Seilaufzug mitgebracht und weitere Menschen verteilten Flyer an Reisende.

 

Das Thema Barrierefreiheit kocht bereits seit Monaten hoch. Auslöser dafür sind Bauarbeiten an den Bahnsteigen des Hauptbahnhofs Lüneburg. Der Aufzug an den Gleisen 2/3 wird seit dem 7. Oktober 2024 erneuert und ist daher für sechs Monate gesperrt. Der Bahnsteig ist in der Zeit nur per Treppe, und damit für mobilitätseingeschränkte Menschen de facto nicht erreichbar.

"Bereits während der Bauarbeiten am Aufzug auf Gleis 1 haben wir protestiert und gewarnt, was es für mobilitätseingeschränkte Menschen bedeutet, wenn der Aufzug  zu Gleis 2/3 erneuert wird. Menschen, die keine Treppe nutzen können, werden durch die Bauarbeiten stark eingeschränkt! Häufig ist es nicht mehr möglich, Bahnfahrten anzutreten oder aus Zügen auszusteigen", erklärt Theresa Berghof vom KlimaKollektiv Lüneburg. Sie sieht sich heute als Verbündete (Ally) und unterstützt die Forderung von Menschen, die auf Barrierefreiheit angewiesen sind.

"Der Ausfall des Aufzuges ohne brauchbare Alternative schließt mich quasi vom Fernverkehr aus! Alle ICE aus Süden fahren Gleis 2/3 an", erzählt die Behindertenrechts- und ROBIN WOOD-Aktivistin Cécile Lecomte. "Ich muss stundenlange Umwege in Kauf nehmen. Das ist diskriminierend und darf so nicht sein! Es gäbe bessere Lösungen, wenn die Deutsche Bahn nur wollte. Barrierefreiheit hat aber bei der Bahn keine Priorität - leider. Das müssen wir an diesem Beispiel einmal mehr feststellen."

Die Briefe des Behindertenbeirates an die Bahn mit der Bitte um ein Gespräch über mögliche Übergangslösungen blieben bislang unbeantwortet. Die Bahn setzt ihre Bauarbeiten unbeirrt fort. Betroffene und ihre Unterstützer*innen sind wütend:

„Es ist natürlich gut, dass durch die Bauarbeiten die Aufzüge ausgetauscht werden, aber es dauert viel zu lange! Leider wissen wir auch nicht, was für ein Aufzug gebaut wird, da der Bedarf vorher nicht abgefragt wurde. Wir hätten gern einen größeren Aufzug, damit Menschen mit Fahrrädern ihn einfacher nutzen können oder mehrere Rollstühle und Kinderwägen darin Platz haben. Es ist zu befürchten, dass dies, wie schon beim Aufzug  zu Gleis 1, Wunschdenken bleibt. So geht Mobilitätswende nicht“, ergänzt Berghof.

Heike Schoon von ROBIN WOOD, fordert: "Wir brauchen eine sozialgerechte, ökologische und barrierefreie Mobilitätswende! Barrierefreiheit darf nicht hinten angestellt werden, sondern muss von vornherein bereits beim Bau der Verkehrsinfrastruktur bedacht werden!"

Pressekontakt:

 

Weitere Informationen: 

Die Aktivist*innen haben selbst einige Lösungsvorschläge erarbeitet:

  • Temporärer Aufzug: Auf dem Bahnsteig 2/3 und eine Brücke von Bahnsteig 2/3 zu Bahnsteig 1 (oder 4/5), das gibt es z. B. von der Firma RECO (derzeit in Bonn-Beul im Einsatz). Dazu sagt die Bahn, dass es zu teuer sei ... So viel zum Stellwert der Barrierefreiheit... die Boni der Bahnmanager sind wichtiger.
  • Gleiswechsel bei Bedarf: Zu Gleis 6 für den Regionalverkehr und Gleis 1 für den Fernverkehr. Bei Gleis 1 fehlt allerdings eine Signalanlage nach Norden, diese soll im Zuge der Generalsanierung gebaut werden. Unsere Forderung war, diese vor dem Umbau des Aufzuges einzurichten.
  • Kostenübernahme für (Rollstuhl)Taxi, Schienenersatzverkehr zwischen Lüneburg und Uelzen (in Uelzen hält Fernverkehr, in Bienenbüttel nicht).
  • Bau eines Treppenliftes
  • Treppenraupe: Stabile, extra für Rollstühle und ihre Nutzer*innen konzipierte Treppenraupe am Bahnhof Lüneburg.

Zur rechtlichen Situation: Betroffene haben leider nur Rechte auf dem Papier. Menschen dürfen beispielsweise nicht aufgrund ihrer Behinderung diskriminiert werden. Genau das tun die Bahn und viele anderen Unternehmen. Ihre Rechte können Betroffene kaum durchsetzen, da es keine Sanktionen für Verstöße gegen die Vorgaben der Barrierefreiheit gibt. Wenn es ein Gesetz wie in den USA gäbe, das finanzielle Sanktionen bei Diskriminierung aufgrund fehlender Barrierefreiheit vorsieht, hätte die Bahn sehr schnell den Bau eines temporären Aufzuges in Auftrag gegeben, weil es für sie billiger als die Geldbußen wäre.